Inaugural-Dissertation

welche mit Genehmigung der
medicinischen Facultät hiesiger Universität
zur Erlangung der Doctorwürde
in der
Medicin, Chirurgie und Geburtshilfe
am Mittwoch, den 26. Februar 1879, Mittags 1 Uhr
In der kleinen Aula öffentlich vertheidigen wird

Max Bleisch.

Opponenten:
Dr. Fritz Viertel, pract. Arzt. Adolf Gottstein, Cand. med.

BRESLAU.

F. W. JUNGFER's BUCHDRUCKEREI, 1879.


Seinem hochverehrten Lehrer

Herrn Medicinalrath

Professor Dr. Fischer

ordentlicher Professor der Chirurgie.

Director der chirurgischen Klinik, Ritter etc.

in Hochachtung und Dankbarkeit

und


Seinen theuren Eltern

in kindlicher Liebe

gewidmet

vom Verfasser.


Vorwort.

Anregung zu vorliegender Arbeit erhielt ich durch Herrn Medicinalrath Professor Dr. Fischer, der mich auf einige einschlägige, zum Theil während meiner Unterassistentenzeit auf der hiesigen chirurgischen Klinik operierte und behandelte Fälle hinzuweisen die Güte hatte, wofür ich an dieser Stelle ihm meinen wärmsten Dank ausspreche. Gleichen Dank schulde ich dem früheren Assistenzarzte der hiesigen chirurgischen, Klinik, Herrn Dr. Viertel, der mir bei der Abfassung der vorliegenden Arbeit in der liebenswürdigsten und bereitwilligsten Weise mit Rath und That zur Seite stand.


Gehört schon die Laesion des an Ort und Stelle liegenden, unter normalen Verhältnissen sich befindenden Darmes keineswegs zu den Seltenheiten, so häufen sich die Gefahren einer Verletzung erheblich, sobald der Darm seinen Aufenthaltsort, die Bauchhöhle, verlässt und in den Bruchsack tritt; diese pathologische Lagerung bietet ihm nicht nur weniger Schutz, sondern vermindert auch die ohnehin schon geringe Widerstandsfähigkeit seines Gewebes, vergrössert also seine leichte Verletzlichkeit.

Während ein in der Bauchhöhle liegender Darm vermöge der Nachgiebigkeit der Bauchdecken und der ihn begrenzenden Organe, und vermöge seiner freien elastischen Befestigung durch das Mesenterium leicht nach Bedürfniss seine Lage verändern, sein Volumen vergrössern, durch unbehinderte Contractionen seinen Inhalt weiter befördern kann, befindet sich ein im Bruchsack liegendes Darmstück unter viel ungünstigeren Verhältnissen. Nicht nur, dass der wenig nachgiebige Bruchsack und die ebenso wenig nachgiebige, prall darüber liegende Haut ihm eine bestimmte, nur schwer zu verändernde, für seine Functionen oft durch Knickung etc. höchst ungünstige Lage anweisen, wird dasselbe meist durch feste Adhäsionen in seiner Lage fixirt.

Es werden daher die Contractionen des über der Bruchpforte liegenden Darmes wohl leicht den Widerstand der Bruchpforte überwinden und ihren Inhalt in den Bruch entleeren können, während dem herniösen Darmstück, dessen Contractionen gehindert oder gar aufgehoben sind, die Möglichkeit theilweise oder ganz fehlt, sich seines Inhalts zu entledigen. Folge davon ist, dass nicht sowohl Koth und Luft, als fremde Körper besonders gern hier abgelagert werden.

So fand Volpi bei einem Manne, der.Krebse mit den Schalen verschlungen hatte, die Schalen in dem im Bruch liegenden Darmstück angehäuft.

Dieffenbach fand in dem Schenkelbruch einer 40jährigen Frau einen Gallenstein etc.

In anderen Fällen sind es Kirschkerne, kleine Knochen, Gräten, Nadeln, die man in dein herniösen Darme findet.

Sind solche Körper weich und rund, so pflegen sie meist Kothanhäufung und Einklemmung herbeizuführen, auf die wir später zurückkommen, sind sie hart und spitz oder scharf, so verursachen sie directe Zerreissungen, Durchschneidungen, Durchbohrungen des Darmes.

Häufiger noch sind die von Aussen her kommenden Verletzungen des herniösen Darmes.

Er erhebt den Bruchsack und die darüber liegende Haut zu einem Tumor an der Vorderfläche des Körpers, der nicht einmal durch Hyperaesthesie den Patienten zur Vorsicht mahnt. Kleinere Traumen, die er daher oft zu erleiden hat, führen zu den eben erwähnten entzündlichen Adhäsionen zwischen Bruchsack und der Haut: der Behinderung seiner Contractionen folgt Kothstauung, die ihn stark ausdehnt und nicht nur seine Contractilität lähmt, sondern auch die Zerreisslichkeit seiner Wandung steigert. Er bildet also einen leicht zerreisslichen, stark gefüllten Sack, der sich über das Niveau der Haut er-hebt, der mit seiner Umgebung verwachsen, Stössen etc. nicht ausweichen kann und von diesen fast direct getroffen wird; unter so ungünstigen Umständen genügt oft schon ein geringes Trauma, herbeigeführt durch einen unglücklichen Fall etc., und die Darmwand zerreisst. Dass selbst das Tragen eines Bruchbandes nicht vor dieser Gefahr sicher schützt, beweist folgender, von Dieffenbach erzählter Fall:

Eine 40jährige Frau sprang über einen Graben und fiel auf die Pelotte des Bruchbandes, Die Patientin klagte hierauf über Schmerzen im Leibe; bei der Operation zeigte sich zwar der Bruchsack unverletzt, aber der Darm hatte einen Querriss an der vorderen Seite eines seiner beiden Schenkel davongetragen; »ich möchte glauben,« fügt er hinzu, »dass der Darm im Sprunge (durch Action der Bauchpresse) herausgetreten und erst durch den Fall auf die Pelotte gesprengt sei.«

Eine grosse Reihe von Darmverletzungen werden von Seiten des behandelnden Arztes, sei es bei der Taxis oder während der Operation veranlasst, ohne dass derselbe immer für das Unheil, das er angerichtet, verantwortlich zu machen wäre.

Was die Taxis anbetrifft, so wird dieselbe in der Weise ausgeführt, dass man entweder den Inhalt des herniösen Darmstückes, mittelst äusseren Druckes durch die Bruchpforte, resp. das in ihr liegende, zu- oder abführende Darmstück zu pressen, oder, dass man den Darin an dem herniösen Stück in dem Bruchsack aus der Bauchhöhle herausziehen und so den Darminhalt auf einen grösseren Raum zu vertheilen sucht.

Bedenkt man nun, dass der Darm gewöhnlich stark gefüllt, seine Wandungen leicht zerreisslich sind, die Bruchpforte einen, meist nicht geringen Widerstand der herauszupressenden Kothmasse entgegen setzt, so liegt die Möglichkeit einer Zersprengung bei der ersten Methode sehr nahe. Andererseits ist die Gefahr der zweiten Methode nicht geringer; denn es ist wohl denkbar, dass die zerreissliche Darmwand eher dem Zuge nachgiebt, als die alten Adhäsionen, durch die der Darm meist mit dem Bruchhals verwachsen ist. Kräftig aber und energisch muss die Taxis betrieben werden, wenn sie irgend Aussicht auf Erfolg bieten soll.

Gesetzt aber auch, dass sie, ohne Zerreissung herbeizuführen, versucht wurde, so mindert die Operation, zu der man sich, sobald die Taxis im Stich lässt, entschliessen muss, die Gefahren der directen Darmverletzung durchaus nicht, wenn auch Colliex stark übertreibt, indem er sagt, dass auf zehn Bruchoperationen je sieben Darmverletzungen zu rechnen seien, Ganz abgesehen davon, dass die Erkennung des Bruchsackes auch unter normalen Verhältnissen nicht immer leicht ist, so kommen mancherlei Anomalien in Bezug auf Lage und Verhältnisse der Theile der Hernie ziemlich häufig vor, die sehr leicht den Arzt täuschen und /AI einer Läsion des Darmes mit dem Messer führen können.

Namentlich betreffen diese Anomalien den Bruchsack, ein Umstand, über den sich Dieffenbach folgendermassen auslässt:
»Kaum findet sich in einem anderen bei der Bruchoperation interessirten Theile eine so mannigfaltige Verschiedenheit, als beim Bruchsack. Schon seine Unterscheidung vom Darm ist bisweilen schwierig, und selbst erfahrene Wundärzte haben öfters vergebens versucht, ihn als vermeinten Darm zu reponiren, während wohl andere den Darm eröffneten, indem sie ihn für den Bruchsack hielten.«

Sehr gefährlich in dieser Beziehung ist das gänzliche Fehlen des Bruchsackes, entweder durch Vereiterung, Zerreissen des Peritoneums bei der Bildung des Bruches herbeigeführt, oder wenn er bei einer früheren Operation weggeschnitten wurde. Scheinbar fehlt er, wenn er mit der Haut fest verwachsen ist; fehlt womöglich noch das Bruchwasser, welches sonst den Darm vom Bruchsack trennt, liegt also der erstere dem Bruchsack, resp. der Haut fest an, oder ist er mit ihr verwachsen, so wird der Darin leicht beim ersten Schnitt, zumal bei einiger Hast und Unerfahrenheit des Operateurs, verletzt.

So erwähnt Dupuytren, dass er in Vidals Gegenwart bei einer Bruchoperation mit dem Bruchsack zugleich den Darm anschnitt.

Burow erzählt folgenden Fall:
»Bei einem Schenkelbruch einer 42jährigen Frau gelangte ich bei der Operation auf eine kugelige Geschwulst, die sich rings umgehen liess; Bruchwasser war nicht abgeflossen, das Einführen der Sonde in den Bruchcanal gelang trotz vielfacher Bemühungen nicht; ich hielt es daher für möglich, dass der vorliegende Theil noch Bruchsack sei, und entschloss mich zu einem kleinen Einstich; leider zum Verderben der armen Kranken, ich befand mich in der Höhle des Darmcanals« etc.

Ein anderer Fall ist folgender von Bidder erlebt:
»Frau F. 39 Jahre alt etc. Nach Spaltung der Haut wurden die Gewebstheile schichtweise auf der Hohlsonde durchtrennt; endlich kam der Operateur auf ein Gewebe, das wie Darm aussah; er glaubte aber, dass es doch vielleicht erst der Bruchsack sein könne und versuchte daher mit der Sonde unter die Gewebsschicht zu dringen, indess zu seinem Schrecken wurde er bald gewahr, dass es die Darmwand selbst war, denn plötzlich fiel die Sonde in den Darm hinein« etc.

In den häufigsten Fällen indess ist der Vorgang ein anderer, complicirterer; die Darmwand wird nämlich nicht direct zerrissen oder durchbohrt, sondern nur in einer Weise alterirt, dass sie ihre Lebensfähigkeit einbüsst und ganz oder zum Theil necrotisch wird; das gangränöse Stück der Darmwand wird dann mittelst demarkirender Entzündung abgestossen und hinterlässt einen Defect.

Der necrotische Process hat folgende Ursachen:

  1. Plötzliche Vernichtung der Gewebstheile und Capillaren der Darmwand.
  2. Plötzliche Verschliessung der im Mesenterium verlaufenden, zu- und abführenden Darmgefässe (sogenannte Einklemmung).
  3. Entzündung der Darmwand.

Daraus ergeben sich folgende Möglichkeiten des Entstehens einer Necrose:

  1. Plötzliche Vernichtung der Gewebstheile und Capillaren der Darmwand.
  2. Entzündung allein.
  3. Entzündung mit secundärer Einklemmung.
  4. Einklemmung mit secundärer Entzündung.
  5. Einklemmung allein.

Von der Stärke des veranlassenden Momentes und der Dauer seiner Einwirkung hängt es ab, ob ihm Necrose ohne jedes Zwischenstadium folgt, oder ob derselben erst eine Entzündung vorausgeht.

Wir nehmen die letzteren Fülle ihrer grösseren Häufigkeit und Wichtigkeit wegen voraus.

Die Darmwand an sich besitzt schon, wie Cohnheim gezeigt hat, eine sehr geringe Widerstandsfähigkeit gegen necrotisirende und inflammatorische Einflüsse; compensirt wird dieselbe unter gewöhnlichen Verhältnissen durch die geschützte Lage des Darmes in der Bauchhöhle. Für den herniösen Darm mehren sich dagegen nicht nur die Insulten, sondern sie haben auch viel leichter Entzündung mit Necrose zur Folge; denn der Darm befindet sich ja in diesen Fällen ohnedies schon unter pathologischen Verhältnissen.

Dass Fülle von Necrose nach einfacher Entsendung wenig beschrieben sind, liegt nicht sowohl daran, dass sie überhaupt selten wären, sondern vielmehr daran, dass sie meist dieselben Symptome darbieten, wie die mit Einklemmung combinirte Entzündung, und daher häufig mit dieser verwechselt werden. Am häufigsten indess wird die Entzündung wirklich durch eine Einklemmung complicirt und zwar dadurch, dass in Folge der entzündlichen Schwellung des Bruchinhaltes, die ihrerseits noch von Kothanhäufung unterstützt wird, die zu- und abführenden Mesenterialgefässe des Darmes irgendwo, besonders häufig im Bruchhals, comprimirt und endlich verschlossen werden. Ausgang Necrose.

Seltener ist die Einklemmung das Primäre; der gewöhnliche Vorgang ist dann folgender:
Ein Darmstück tritt durch die Bruchpforte in den Bruchsack und erleidet, so lange es leer ist, keine Veränderung; die Bruchpforte ist weit genug, um auch den Mesenterialgefässen genügenden Raum zu gewähren, Nun füllt sich aber der Darm allmälig wegen Behinderung seiner Contraction, die Bruchpforte wird relativ zu eng und comprimirt die Gefässe; es tritt capilläre Stase ein, aus der sich später eine Entzündung entwickelt; die Folgen sind dieselben wie vorhin.

Dass derselbe Vorgang auch dann eintreten kann, wenn die Bruchpforte resp. der Bruchhals aus irgend welchen Gründen (die zu erörtern hier zu weit führen würde), absolut zu eng ist, und desshalb die Mesenterialgefässe comprimirt, liegt auf der Hand.

Ohne Zwischenstadium der Entzündung tritt Necrose natürlich ein, wenn das Missverhältniss zwischen der einklemmenden Stelle und dem eingeklemmten Mesenterium von vornherein so gross ist, dass die darin verlaufenden Gefässe sofort vollständig verschlossen werden; am häufigstem dann, wenn ein Darm mittelst der Bauchpresse plötzlich durch eine zu enge Stelle (Riss im Bruchsack, Bruchhals oder -pforte) getrieben wird, die dann hinter ihm wie ein Kautschuckring das Mesenterium mit den Gefässen fest zusammenschnürt.

Sofortige Necrose des Darmes endlich ohne Einklemmung und Entzündung tritt dann ein, wenn das veranlassende Moment intensiv genug einwirkte, um sofort die Gewebe der Darmwand und ihre Capillaren zu vernichten.

Meist ist dies Folge der höchsten Grade von Quetschung oder der Einwirkung abnormer Temperaturen.

Was nun die Anlässe dieser Vorgänge anbetrifft, so sind diese theilweise dieselben, welche, wie wir gesehen, unter Umständen eine directe Continuitätstrennung herbeiführten, also Trauma beim Fall, bei der Taxis, fremde Körper im herniösen Darm etc.; in anderen Fällen wird die Einschnürungsstelle des Darmes durch Druck gangränös; in noch anderen wird die Gangrän durch zu lange Application des Eisbeutels behufs besseren Erfolges der Taxis hervorgerufen.

Oft schon genügt ein schlechtpassendes oder nur schlecht angelegtes Bruchband, der Druck von Kleidungsstücken, ein Diätfehler, eine Erkältung zur Einleitung einer verhängnissvollen Entzündung; besonders oft wird Kothanhäufung durch die mit ihr verbundene Zerrung und Compression der Darmcapillaren verderblich; es bedarf dann nur einer kleinen Verzögerung der Operation, um die Necrose unabwendlich zu machen.

So behandelte Farcy einen Lastträger, der bereits achtzehn Jahre eine bewegliche Leistenhernie hatte; plötzlich wurde sie grösser und es traten Einklemmungserscheinungen auf; die Operation wurde erst gestattet, als schon Zeichen der Eiterung bestanden; aus der geöffneten Geschwulst lief stinkender Eiter, und man konnte aus der neurotischen Darmschlinge sechs kleine Knochen ausziehen, welche von Hammelfüssen herrührten, die der Patient am Tage vorher verschluckt hatte. (Bardeleben.)

Gelegenheitsursachen zur reinen Einklemmung ohne vorausgehende Entzündung sind namentlich alle Anstrengungen bei denen die Bauchpresse in Action tritt, wie Springen, Schreien, Husten, Heben eines schweren Gegenstandes.

So leicht nun. eine einfache Zerreissung, oder ein durch abgelaufene Gangrän entstandener Defect des herniösen Darmes bei der Inspection zu constatiren ist, zumal er sich meist durch Anwesenheit von Fäcalien im Bruchwasser bemerkbar macht, so schwierig ist oft die Beurtheilung der Lebensfähigkeit eines solchen Darmes, wenn die beschriebenen Circulationsstörungen im Augenblick der Eröffnung noch nicht ihre Höhe erreicht haben, oder wenn zu dieser Zeit ihre Folgen noch nicht ganz eingetreten sind. Und doch ist die Entscheidung dieser Frage von grösster Wichtigkeit, da sie allein für den Arzt als Wegweiser für den von ihm nach der Eröffnung des Bruchsackes eingeschlagenen Weg dient, wenn er nicht Gefahr laufen soll, den Zustand des Kranken zu verschlimmern, statt ihm zu helfen.

Hauptsache bleibt dabei immer der Eindruck, den der Darm auf Auge und Finger macht.

Nach Bardeleben hat man Necrose zu erwarten, wenn

  1. der Darm, nicht mehr in seiner ganzen Ausdehnung die normale Resistenz darbietet;
  2. er zum Theil emphysematös erscheint;
  3. er hellrothe oder graue Flecke zeigt;
  4. er an der Einklemmungsstelle in hohem Grade verengt erscheint und es auch nach der Lösung bleibt;
  5. er Ulcera zeigt.

Nach Vidal soll man an den Stellen, die am meisten erkrankt zu sein scheinen, kleine Incisionen in die Serosa des Darmes machen; dringt ans der Schnittwunde ein Tröpfchen Blut, so könne man überzeugt sein, dass der Kreislauf sich schon wieder herstellen werde.

Dieffenbach sagt über die Farbe des eingeklemmten Darmes, dass sie äusserst wechseln könne, ohne dass man eine bestimmte Art der Färbung als auf Necrose deutend herausgreifen könne. Er erzählt eine ganze Reihe von Fällen, wo er reponirte, obgleich der Darm ganz schwarz war, ohne dass Gangrän nachher eingetreten wäre; an derselben Stelle finden sich aber auch einige andere Fälle verzeichnet, wo trete nicht verdächtiger Färbung nach der Reposition doch Gangrän erfolgte, die den Tod der Patienten herbeiführte.

Nach König ist es überhaupt sehr schwer, einem von Blutextravasaten durchsetzten Darm anzusehen, ob er sich wieder erholen wird oder nicht.

Andererseits finden sieh wiederum Fälle, wo die Farbe des Darmes nicht im Geringsten oder nur sehr wenig verändert war, welche aber dennoch ihren Ausgang in Necrose nahmen. Dies waren immer Fälle frischer Einklemmung, wo die Einklemmung plötzlich und mit grosser Energie eintritt, d. h. die Fülle, die, wie wir oben erwähnt, ohne das Zwischenstadium der Entzündung zur Necrose führen. Sie bilden ein Analogon zu einem von Cohnheim in seinen »Untersuchungen über die embolischen Processe« beschriebenen Experiment; Er umschnürte das Mesenterium eines Säugethierdarmes mit dessen Gefässen so vollständig, dass weder ein Zu- noch Rückfluss des Blutes stattfinden konnte. Es blieben jegliche Stauungsphänomene und Hämorrhagien während des Bestehens der Ligatur aus, der Darm erschien unverändert. Bald nach Lösung der Ligatur jedoch (2 bis 2 1/4 Stunde beim Meerschweinchen) trat hämorrhagischer Infarkt ein, dem die Necrose auf dem Fusse folgte. Der Grund ist die Veränderung der Gefässwandung in Folge der Ischämie.

Auf die Farbe des Darmes kann man also mir wenig geben; indess auch der partielle Verlust der Resistenz ist für sich allein nicht maassgebend; dies beweisen folgende, den Jahresberichten des Baseler Spitals entnommene Fälle:

1. »Elise Hassler 45 Jahre etc.

Die eingeklemmte Darmschlinge ist stark hyperämisch und schon matsch; sie wird jedoch reponirt; nach leichter Fieberbewegung erfolgt Stuhl nach acht Tagen und vollständige Heilung nach 32 Tagen.«

2. »Caroline Gerspacher 37jährige Frau etc.

Die sehr enge Einklemmung erforderte ein Einschneiden der Bruchpforte nach mehreren Richtungen; auch dann noch stellte die schlaffe Beschaffenheit des eingeklemmten Darmstückes der Reduction grosse Schwierigkeiten entgegen, doch gelang sie schliesslich, nachdem an zwei Stellen die Serosa der stark hyperämischen und theilweise erweichten Darmpartie eingerissen war. Heilung ohne Fieber in 21 Tagen.«

Am besten fährt man bei der Beurtheilung der Lebensfähigkeit des Darmes, wenn man neben den oben angeführten Symptomen, wie es auch der Cohnheim‘sche Versuch lehrt, den Grad der Behinderung der Circulation, also die Energie der Einklemmung und ihre Dauer in Rechnung zieht; je länger die Einklemmung bestand und je energischer sie war, desto übler ist die Prognose für seine Erhaltung, auch wenn er ein verhältnissmässig gutes Ansehen hat. Nichts desto weniger wird man dabei oft auf grosse Schwierigkeiten stossen, und selbst ein genaues Abwägen aller ins Gewicht fallenden Momente wird vor Täuschung nicht schützen. In solchen zweifelhaften Fällen thut man gut, den Darm als einen defecten zu behandeln, d. h. ihn nicht ohne weiteres zu reponiren. Man wird dann immer die Gefahr einer späteren Perforation und eines Kothergusses in die Bauchhöhle mit nachfolgender Peritonitis vermeiden.

Was thut man. nun mit einem nicht mehr intacten herniösen Darm?

Das bisher fast einzig und allein geübte Verfahren bestand in Anlegung einer Kothfistel. Man erreichte sie in Kürze auf folgende Weise:

Nachdem der Bruchsack eröffnet und die Bruchpforte gehörig erweitert, ist, befestigt man das verletzte Darmstück entweder direct oder mittelst des Mesenteriums an die äussere Wunde. Die directe Befestigung geschieht, durch eine (Palfyn) oder mehrere (Ledrau) Fadenschlingen, die ausserhalb der Hautwunde so befestigt werden, dass die Wundränder des Darmes mit denen der Haut verlöthen und verwachsen.

Die zweite von De la Peyronie angegebene Methode legt die Fadenschlinge durch das Mesenterium des Darmstückes und befestigt das letztere so in der Bauchwunde.

Das erste Verfahren wendet man besonders bei einfachen kleineren Riss- und Schnittwunden an, während dem zweiten bei Gangrän des Darmes der Vorzug zu geben ist wegen der Gefahr des Ausreissens der Darmnäthe bei fortschreitender Gangrän, Auf diese Weise verwächst der Darm so mit der Hautwunde, dass die Darmhöhle mit der Aussenwelt durch die Wunde frei communicirt und ihren Inhalt durch dieselbe ganz oder tbeilweise entleert; im ersteren Falle nennt man die entstandene Oeffnung einen widernatürlichen After, im zweiten eine Kothfistel engeren Sinnes. Der wesentliche Unter-schied beider in anatomischer Beziehung liegt bekanntlich da-rin, dass bei Bildung des widernatürlichen Afters sich die Schleimhaut der Mesenterialseite des Darmes zu einer klappenartigen Falte (Sporn nach Dupuytren) erhebt, die den Koth hindert, sich durch den abführenden Darm zu ergiessen, und zweitens in dem Bestehen einer bedeutenden. Verengerung des abführenden Darmstückes; beides fehlt bei der Kothfistel engeren Sinnes.

Ist nun der erwünschte Erfolg eingetreten, und alles gut geheilt, so hat der Arzt die zweite Aufgabe, den Kranken von der Fistel zu befreien.

Liegt ein widernatürlicher After vor, so hat man diesen zunächst in eine Kothfistel engeren Sinnes zu verwandeln, indem man einerseits die oben erwähnte Klappe beseitigt, andererseits den abführenden Darm genügend erweitert.

Die Beseitigung der Klappe geschieht entweder

1. nach Desault und Dieffenbach mittelst eines Tampons oder einer halbmondförmigen Krücke, deren langer Stiel aussen in geeigneter Weise befestigt wird; beide sollen durch Compression die Klappe zum Schwund bringen, oder

2. nach Schmalkalden und Dupuytren durch Zerstörung (Enterotomie), zu welchem Zweck Dupuytren erst die Ligatur, später sein Enterotom anwandte. Dies Verfahren erfuhr später durch Delpech, Liotard, Blandin, Jobert, Vidal u. A. zahlreiche aber unwesentliche Modificationen.

Die Erweiterung des unteren Darmendes strebt man einerseits an durch Verabreichung solcher Speisen, welche reichliche Fäces liefern, während man die Fistelöffnung vorsichtig zu versperren sucht, andererseits nach Dieffenbach durch kohlensäurehaltige Klysmata, die den Darm mechanisch dehnen.

Ist es nun gelungen, den Anus praeternaturalis in eine Kothfistel engeren Sinnes zu verwandeln, oder hatte man es von Anfang an mit einer solchen zu thun, so sucht man dieselbe zu schliessen.

Selten nur schliesst sich die Fistel von selbst, zu welchem Zwecke Dieffenbach eine möglichst wechselvolle Lebensweise und Diät empfahl, meist bedarf es dazu der Anwendung der Cauterisation und der plastischen Operation.

Die Nachtheile einer solchen Behandlungsweise ergeben sich leicht von selbst.

Ganz abgesehen davon, dass die Reizung, welche durch die sich fortwährend über die noch nicht genügend verheilten Wundränder des Darmes und der Haut ergiessenden Fäcalien gesetzt wird, den Heilungsprocess durch Erzeugung von Stercoralabscessen und Phlegmonen in der Umgebung der Fistel sehr unangenehm compliciren kann, dass ferner, so lange Darm und Haut noch nicht verheilt sind, ein Ergiessen des Kothes in die Bauchhöhle nicht ausgeschlossen ist, ist es namentlich die Ueberführung des widernatürlichen Afters in die Kothfistel, welche durch die verschiedensten Complicationen sehr verzögert, oft auch unmöglich gemacht werden kann.

So involvirt der Anus praeternaturalis meist eine Disposition zur Bildung einer neuen Hernie, welche durch die nur leicht verklebte Bruchpforte hindurchtritt (Bardeleben).

Da ferner ein Sphincter der Fistelöffnung fehlt, so zeigt die Darmschleimhaut eine grosse Neigung zum Vorfall; ist sie aber vorgefallen, so wird sie durch die Berührung mit der Luft, Kleidungsstücken etc. gereizt, schwillt an und kann, wenn ihr Volumen das der Fistelöffnung übertrifft, leicht eingeklemmt und brandig werden, Solche Fälle sind von Blandie, Le Sauvage, Günther u. A. beschrieben. Lässt sich der Prolaps nicht dauernd reponiren, so muss man ihn mit der Scheere abtragen, also zur verheilten Kothfistel eine neue Wunde fügen, oder man überlässt ihn der Gangrän; eines wie das andere birgt neue Gefahren der Infection und hält die Heilung hin.

Was die Beseitigung des Dupuytren'schen Spornes betrifft, so erreicht man nach Bardeleben durch die Dessault'sche Compression niemals wirkliche Compression der Klappe, wesshalb dieselbe wenig leiste, wo eine Tendenz zur Zurückziehung der Mesenterialseite des Darmes nicht schon bestünde; letztere ist zwar sehr erwünscht, aber ziemlich selten. Die Dieffenbach'sche Enterotomie aber, fährt derselbe Autor fort, sei nicht ohne Gefahr, da sie einmal auch bei vorsichtiger Anwendung Enteritis und Peritonitis erzeugen und es andererseits leicht passiven könne, dass man ein Stück einer anderen Darmschlinge, zumal bei Verwachsung beider, mitfasse und so eine Communicationsfistel zwischen zwei Darmschlingen oder Durchbruch in die Bauchhöhle bewirke.

Was die Erweiterung des unteren Darmstückes anbetrifft, so leuchtet einerseits die Unvollkommenheit der Mittel, die dem Arzte zur Verfügung stehen, ein. Denn die Ausdehnung durch Fäces verlangt Verschluss der Fistelöffnung, diese ist aber, wie wir gleich sehen werden, unter Umständen höchst gefährlich; bei der Ausdehnung durch Kohlensäure aber hat man es nicht in der Hand, dass der Darm nicht platzt. Andererseits pflegt sich auch der Darm sehr rasch und stark zu verengern, sobald er functionslos wird. Bardeleben sagt, dass schon nach einigen Wochen die beiden Enden nicht mehr einem Individuum anzugehören scheinen.

Bevor aber der Koth genügenden Abzug nach unten hat, ist der Versuch, die Fistelöffnung zu schliessen, gefährlich und gelingt nur auf kurze Zeit; denn entweder staut sich der Koth, der weder genügenden Ausweg durch das abführende Darmstück noch durch die Fistel findet, in dem Darmstück an und führt durch übermässige Ausdehnung des zuführenden Darmes zu Zersprengung oder tödtlicher Entzündung, oder er nimmt seinen Weg durch die frisch zugeheilte Fistel, indem er dieselbe zu neuem Aufbruch veranlasst. Dieselbe Unmöglichkeit der Heilung wird durch allzu spitzwinkeliches Zusammenstossen der beiden Darmenden veranlasst, denn auch hier ist der Uebertritt der Ingesta ans dem oberen in das untere wesentlich erschwert.

In diesem letzteren Falle wird natürlich auch die Heilung der einfachen Kothfistel unmöglich.

Im ganzen bietet letztere allerdings eine etwas günstigere Prognose, obgleich auch häufig genug selbst alle Cauterisationen und Plastiken im Stich liessen. v. Linhart behauptet, namentlich von der letzteren nie einen Erfolg gesehen zu haben.

Trotz der grossen Lebensgefahr, welcher der Patient durch diese Operationsweise ausgesetzt ist, ist der Erfolg, welchen dieselbe anstrebt, also keineswegs gesichert. Vielmehr kann der Patient trotz aller Fürsorge und Umsicht seines Arztes sehr leicht in die Lage kommen, sein Lebelang eine Kothfistel zu behalten; im günstigsten Falle ist er ihren Unannehmlichkeiten und Nachtheilen wenigstens während der nicht allzu kurzen Zeit ausgesetzt, die ihre Schliessung in Anspruch nimmt.

Jede Kothfistel schädigt die allgemeine Ernährung in erheblichem Maasse, Durch die Zerrungen, welche die in der Hautwunde angewachsene Darmschleimhaut bei jeder Bewegung des Körpers sowohl als auch des Darmes erleidet, wird reflectorische Peristaltik ausgelöst, und der Darminhalt durcheilt daher den ohnehin abgekürzten Weg in verhältnissmässig viel zu kurzer Zeit, verlässt daher halb unverdaut den Körper. Ist nun vollends die Kothfistel gross, und liegt sie in der Nähe des Magens, und wird durch sie ein grosser Theil des Darminhaltes entleert, so fällt ein grosser Theil des Darmes für Verdauung und Resorption weg; der Patient befindet sich in derselben Lage wie der Diabetiker, er geht trotz grossen Appetites an Inanition zu Grunde. So starben nach einer Statistik von Thomas Bryant aus Guys Hospital zu London, von 12 Leuten mit Kothfistel 10, und nur 2 kamen davon.

Aber auch kleinere, die Ernährung weniger schädigende Kothfisteln sind ein ekelhaftes und lästiges Uebel. Sie geben nicht nur zu lästigen Hautausschlägen und Geschwüren in ihrer Umgebung Veranlassung, sondern machen auch den Patienten durch üblen Geruch und die fortwährende Besudelung in Folge des unwillkürlichen Abganges von Luft und Koth für seine Umgebung ekelhaft und abscheuerregend. Gern unterwirft sich ein solcher Unglücklicher den lebensgefährlichsten Operationen, um seinen schaudervollen Zustand los zu würden. Gelingen diese nicht, so steigert sich seine Verzweiflung leicht zur Melancholie und treibt ihn zum Selbstmord.

Um so wunderbarer erscheint es für den ersten Augenblick, dass eine so langwierige, so gefährliche, in ihren Erfolgen so unsichere, den Patienten so schrecklichen Leiden aussetzende Operation nicht schon lange durch eine andere einfachere, die Kothfistel umgehende, verdrängt wurde, zumal eine solche schon seit lange bekannt und von den verschiedensten Seiten auf das lebhafteste empfohlen worden ist.

Und in der That ist der Gedanke, das Verfahren, welches man bei gewöhnlichen Verletzungen und bei Necrose seit lange anwendete, auch auf den Darm auszudehnen, so natürlich, dass es wunderbar wäre, wenn er sich nicht schon früh den Chirurgen aufgedrängt hätte.

Die Operation ist in Kürze folgende:

Nachdem man den Bruchsack eröffnet, die Bruchpforte erweitert, die Adhäsionen des Darmes in der Bruchpforte vollständig gelöst hat, verschafft man sich durch Palpation und Inspection einen, möglichst genauen Einblick in den Zustand des Darmes.

Einen gangränösen oder der Gangrän verdächtigen Darm führt man zunächst durch Resection des betreffenden Stückes in den Zustand eines einfach verletzten zurück.

Ist dies geschehen, oder hatte man es von Anfang zu mit einer einfachen Continuiätstrennung zu thun, so glättet man, wenn nöthig, die Wundränder und vereinigt dieselben durch die Nath.

Es war bereits Lembert im Jahre 1826, der zuerst darauf aufmerksam machte, dass eine Verheilung von Darmwunden nur dann stattfinden könne, wenn man die serösen Flächen derselben mit einander in Verbindung brächte. Jobert verschaffte diesem Prinzip allgemeine Geltung.

Bardeleben giebt an, dass die Darmwände an sich zu dünn seien, um hinreichende Berührungsflächen abzugeben, ebenso wenig dürfe man die Serosa des Darmes mit der Schleimhaut oder gar zwei Schleimhautflächen mit einander in Berührung bringen, da im ersteren Falle nur ausnahmsweise, im zweiten niemals Verwachsung an erwarten sei; vielmehr seien stets die serösen Flächen, welche sich durch eine grosse Nei gung an Verwachsung auszeichneten, mit einander in Berührung zu bringen.

Wenn wir diesem Prinzip folgen, wird es leicht sein, ans der grossen Zahl der angegebenen Darmnähte die für unser Verfahren brauchbaren auszuwählen. Wir lassen sie mit Uebergehung der übrigen in Kürze folgen.

  1. Darmnähte für solche Wunden, die die Continuität des Darmes nicht vollständig trennen:
    1. Jobert'sche Darmnaht:
      Die Wundränder werden nach innen umgestülpt und dann durch eine tiefe, die Serosa und Darmwand je zweimal durchbohrende Naht an einander gefügt.
    2. Lembert'sche Darmnaht:
      Ebenso, nur durchsticht man blos die Serosa an der Umstülpungsstelle.
    3. Kürschnernaht, ebenfalls mich Umstülpung der Wundränder nach innen mit spiralig fortlaufendem Faden.
    4. d. Gely's Steppnaht:
      An einem Faden werden zwei Nadeln eingefädelt, am Ende der Wunde wird auf jeder Seite so weit ab vom Rande, als derselbe eingestülpt werden soll, eine Nadel von Aussen nach Innen durchgestochen und nun auf der Innenseite etwa 4-5 mm weitergeführt und wieder ausgestochen. Dann werden beide Nadeln über die Nahtlinie so hinweggeführt, dass die rechte in das letzte Stichloch der linken und umgekehrt ein- und durchgestochen wird; dies wiederholt; sich so lange, bis die ganze Nahtlinie durch Anziehen der einzelnen Fäden geschlossen werden kann. (König,)
    Die von Bouisson und Bobrick angegebenen Verfahren können wir füglich übergehen, da sie zu complicirt sind, um jeAnwendung zu finden, und ausserdem sofortige Reposition des Darmes nach der Naht nicht gestatten.
  2. Von den Darmnähten für vollständige Continuitäts-Trennung des Darmes ist nur zu empfehlen:
    die Invagination von Rambdor:
    Das Mesenterium wird vom oberen Darmstück so weit nöthig abgetrennt und das obere in das untere Darmstück, dessen Wundränder zuvor umgestülpt worden, hineingesteckt, worauf die sich berührenden Flächen durch einfache Knopfnaht vereinigt werden.
    Um das fortwährende Fassen und Halten mit Pincetten etc.und die dabei nicht zu vermeidende Reibung des Darmes zu verhindern, wird es gut sein, wie dies zuerst Viertel in dem unten beschriebenen Falle that, die beiden weit freigelegten Darmenden mit zwei provisorischen Nähten für die Dauer der Operation an die Ränder der Hautwunde zu fixiren, ein den Darm gut schützendes Verfahren.

Alle übrigen von Lembert, Denans u. A. angegebenen Nähte sind für unsere Operation entbehrlich, weil sie vor den angeführten keine Vortheile besitzen, wohl aber complicirter und weniger zweckentsprechend sind.

Von den angeführten sind alle in gleicher Weise zu empfehlen, denn sie verfolgen das Jobort'sche Prinzip und verhindern ein Entweichen des Darminhaltes in die Bauchhöhle.

Es wird sehr vortheilhaft sein, die Fäden nicht aus der Wunde herauszuführen, sondern kurz abzuschneiden, weil im ersteren Falle leicht Anlass zur Infection gegeben wird. Die kurzabgeschnittenen Fäden behindern die Peristaltik des Darmes in keiner Weise und kapseln sich später entweder ab, oder fallen unter Bildung eines kleinen, unschädlichen Abscesses meist in die Darmhöhle. Will man ganz sicher der Gefahr, dass die Fäden in die Peritonealhöhle fallen und dann das Peritoneum reizen, entgehen, so wählt man zur Naht das feine Catgut, welches einfach resorbirt wird. Auf diese Weise wird man mich beim Lembert'schen Verfahren das sonst nothwendige Heraushängenlassen der Fäden aus der Bauchhöhle, die damit verbundene Reizung des Darmes und Infection vermeiden können.

Für ganz kleine Defecte empfiehlt Cooper, die Ränder der Wunde mit der Ligaturpincette zu fassen und trichterförmig emporzuheben; hinter der Darmwunde wird dann ein feiner Seidenfaden resp. Catgut um den ausgezogenen Trichter gebunden (König).

Hat man nun auf eine der angegebenen Weisen die Continuität des Darmes soweit hergestellt, dass man vor dem Entweichen des Darminhaltes sicher sein kann, so reponirt man den Darm vorsichtig in die Bauchhöhle.

Gut wird es sein, den Darm, wie dies Dieffenbach empfohlen, in der Nähe der Bruchpforte liegen zu lassen, weil im Fall eines Kothaustrittes aus dem genähten Darm die Gefahr so am geringsten ist, dass der Koth sich in die Bauchhöhle ergiesst.

In den ersten Tagen der Nachbehandlung gönnt man dem Darm natürlich möglichste Ruhe durch Verabreichung grosser Dosen Opium und einer flüssigen leichten Kost.

Die äussere Wunde wird nach den allgemeinen Regeln der Kunst behandelt.

Die grossen Vortheile dieser Operationsweise vor der erst geschilderten liegen auf der Hand; Einmal ist ihre Dauer bedeutend geringer als die der ersten. Man erreicht durch sie mit einem Schlage, was man bei der ersten auf einem Umwege nicht erreichte, nein nur anstrebte.

Ferner bleibt bei ihr der Darm nur kurze Zeit der Luft ausgesetzt, es wird damit die Gefahr der Infection des Darmes, die sehr leicht der Ausgangspunkt einer septischen Peritonitis wird, verringert; der Darm wird sofort wieder unter seine normalen Lebensbedingungen durch Reposition gesetzt.

Was aber den Hauptwerth der Operation ausmacht, ist, man vermeidet die Kothfistel mit ihren Gefahren und widerlichen Folgen.

Natürlich war diese Operation so lange praktisch unmöglich, so lange man die erwähnten Bedingungen einer guten, erfolgreichen Darmnaht nicht kannte.

Besser wurde ihre Prognose nach Einführung des Jobert‘schen Prinzips und sie fand an Jobert, Lembert selbst, Amussat u. A., Scarpa gegenüber lebhafte Vertheidiger. Namentlich aber war es Dieffenbach, der ihre Vortheile wohl erkannte und sich ihrer in einer glänzenden Verteidigung annahm. Wir lassen hier, was er über diesen Gegenstand sagt, folgen, weil das, was er behauptet, noch heut im vollsten Maasse gilt:

»Thun wir nur einen Blick auf die Schwierigkeiten der Heilung einer Darmwunde, so ergeben sich hier ganz entgegengesetzte Erscheinungen, nämlich auf der einen Seite grosse Neigung zur Heilung durch plastische Ausschwitzung und Flächenverklebung, auf der andern Seite wieder Störung dieser Erscheinungen durch eine Menge der ungünstigsten Umstände und Verhältnisse. Die erste Bedingung, dass irgendwo die Heilung einer Wunde erfolge, ist Ruhe des Theils. Die Wunde des Darmes, sie mag geheftet sein oder offen bleiben, ist einer fortwährenden Bewegung und Zerrung durch die peristaltische Bewegung ausgesetzt. Ferner ist zur sicheren Heilung einer in einer Wand befindlichen Oeffnung eine gewisse Breite der Wundfläche erforderlich. Diese ist hier aber ganz unbedeutend. Auch die Gaumenspalte ist schwer durch die Naht zu heilen, weil das Gaumensegel in steter Bewegung ist, weil es eine freie Wand vorstellt, und weil der abgetragene Rand nur eine schmale Wunde, welche wenig Berührungspunkte giebt, bildet. Dazu kommt noch der Ueberzug mit einer zu plastischen Processen wenig geeigneten Schleimhaut. Beim Darm findet sich diese nur auf der innern Seite, wozu noch das stete Berührtwerden der vereinigten Wunde von dem scharfen Darminhalt kommt.

Wenn wir nun bei unseren Bestrebungen, Darmwunden zu heilen, bisweilen nicht glücklich sind, und bei ihnen unserm besten Hülfsmittel, der unmittelbaren Vereinigung durch die Naht entsagen wollen, so heisst dieses nichts anderes, als müssige Zuschauer bleiben und zusehen, wie die Natur es mache, und ihr höchstens einen Seitenweg durch eine Gekrösschlinge anrathen.

Das aber hier ein fruchtbarer Boden sei, und dass eine Darmwunde vermöge des serösen Ueberzugs des Darms alle die erwähnten Schwierigkeiten, Hindernisse und Eigenthümlichkeiten des Theils überwinden könne, beweisen die vielen Fälle glücklich durch die Naht geheilter Darmwunden, sowie die schönen, bei Thieren angestellten Versuche mit absichtlich der Natur in den Weg gelegten Hindernissen, welche dennoch zu einem glücklichen Resultate führten.

Wenn bei Menschen eine kleine Darmwunde bisweilen ohne weiteres Zuthun durch Ankleben in der Bauchhöhle heilt, oder durch blosses Zubinden schnell geschlossen wird, so zeigt dies eine immense Plasticität. Diese Tatsachen sind aber nicht zu leugnen. Gegen Folgerungen aus Thierexperimenten hat man sich bei Darmwunden heftig gesträubt und gesagt, das Thier sei kein Mensch. Dies kann man hinsichtlich vieler anderen Operationen, welche bei Thieren leicht, bei Menschen schwer gelingen, als richtig anerkennen, aber in Bezug auf bildende Processe bei serösen Flächen stehen beide ziemlich gleich. Das Resultat der Verletzung einer Serosa, ist dasselbe, nämlich schnelle Entzündung, der rasch Ausschwitzung und Verklebung folgen.

Was die Gegner der Darmnaht zu Gunsten der Gekrösschlinge anführen, bestätigt erst recht die hier waltende bildende Thätigkeit, da die Natur noch selbst unter den ungünstigsten Umständen Heilung herbeizuführen vermag. Dies spricht also nicht gegen, sondern für die Naht, welche bei gehöriger Anwendung die günstigsten Resultate giebt. Wir sind daher Larrey grossen Dank schuldig, dass er sie unter den Neueren wieder vertrat, sowie Lembert, Jobert, Amussat, Reybard, Henroz und Chelius, welche nicht von Scarpas Ansehen zurückgeschreckt die Darmnaht wieder in ihre Rechte einzusetzen suchten. Wenn ich den Beobachtungen und Erfahrungen dieser Männer das anreihe, was ich selbst in dieser Beziehung aus Versuchen an Thieren gelernt und zu vielen Darmwunden bei Menschen, wo ich sogar in einem Falle nach Ausschneidung eines beträchtlichen Darmstückes die beiden Darmenden zusammennähte und wieder in die Bauchhöhle schob, worauf dennoch Heilung erfolgte, erprobt habe, so spricht dies entschieden zu Gunsten der Naht, Auf jeden Fall sichert die Naht ein rasches Gelingen, vollständige Herstellung der Gesundheit, wogegen der künstliche After den Kranken durch die langwierigen und gefährlichen Chancen der Kothergiessung in die Bauchhöhle, eines langen Offenbleibens der falschen Oeffnung und der Abzehrung hindurch führt. Es bleiben uns Ausserdem noch genug Fälle für den widernatürlichen After, wo wir selten Gebrauch von der Darmnaht machen können, z. B. bei brandigen Brüchen, übrig. Dass aber der falsche After auch nach der Naht sich noch bilden könne, ist nicht zu bezweifeln, der Versuch aber, ihn zu vermeiden, bei jeder frischen Darmwunde nothwendig, Wollten wir aber ohne die Naht zu versuchen, sogleich zur Anlegung des Pseudo-Afters schreiten, die Natur nur in ihrem Wirken beobachten, so müssten wir bei vielen anderen Verletzungen das Nämliche thun, würden aber alsdann stille stehen, statt mit der Zeit und der Wissenschaft fortzuschreiten etc.«

Man kann wohl sagen, dass diese Worte Dieffenbach's auf unsere Zeit weit besser passen, als auf die Zeit, in der sie geschrieben sind. Die Wundärzte, welche sich damals verleiten liessen, ihm zu folgen, machten ganz andere Erfahrungen; die Erfolge liessen den Enthusiasmus ganz unbegreiflich erscheinen, mit dem der für seine Idee begeisterte Forscher die Darmnaht empfahl; beinahe die Hälfte der Patienten gingen an Peritonitis zu Grunde, welche hauptsächlich ihren Grund in der Infection während der Operation hatte. Die Bauchhöhle mit ihren Eingeweiden galt als etwas Unantastbares, die jeden Eingriff mit Peritonitis räche, ohne dass man dafür sich eine wirkliche Erklärung zu geben im Stande war; namentlich galten Wunden des Dünndarmes für absolut tödtlich.

Wie sehr man damals von dieser Idee durchdrungen war, steigt folgende Stelle des Handwörterbuches von Walther und Radius:

»Dieffenbach machte in neuester Zeit die Peritonealnaht etc.; er trennte die Adhäsionen, zog den perforirten Darm hervor, schnitt 3 Zoll desselben und ein keilförmiges Stück Mesenterium ab, unterband eine stark spritzende Arterie, vereinigte die Mesenterialwunde durch fortlaufende Naht und dann die Darmstücke durch die Peritonealhaut und brachte den Darm zurück. Obschon nach 4 Wochen Heilung erfolgt ist, so ist doch dies Verfahren als höchst verletzend und gefährlich zu verwerfen.«

Dass einzelne Operateure, wie Dieffenbach, Cooper, Giraldès, Holmes u. A. dennoch besonders gute Erfolge verzeichnen konnten, hatte seinen Grund in der scrupulösen Reinlichkeit, mit der sie operirten; denn nicht die Darmwunde an sich erzeugt die Peritonitis, sondern nur die Infectionsträger, die durch sie bei der Reposition in die Bauchhöhle eingeführt werden.

Daher wurden auch die günstigen Erfolge immer häufiger, sobald man anfing, auf besondere Reinlichkeit bei der Operation zu halten, Daher konnte schon Giraldès im Jahre 1861 in einer Uebersicht über 22 Fälle von Darmnaht, unternommen bei einer während der Bruchoperation entstandenen oder vorgefundenen Perforation, das freudige Resultat von 17 vollständigen Heilungen constatiren, ein glänzender Erfolg, wenn man sich erinnert, dass Thomas Bryant unter 12 Fällen von widernatürlichem After 10 Todesfälle zu berichten hatte. Wir sind seit Einführung des aseptischen Operationsverfahrens in anderer Lage; für uns haben die Verletzungen der Körperhöhlen mit ihren serösen Häuten und Eingeweiden ihre mystische Schreckhaftigkeit verloren; ein Eingriff wie die Eröffnung der Bauchhöhle, den man früher um keinen Preis gewagt hätte, hat heutzutage fast nicht mehr zu sagen, als jede andere beliebige grössere Verletzung; es giebt heutzutage keine infectiöse Peritonitis mehr, oder darf sie nicht geben, wenn mit allen den Mitteln, die zur Vermeidung von Infection zu Gebote stehen, operirt wird, Jede Darmnaht muss bald und ohne Reaction heilen, wenn sie nur von reinen Händen unter Lister angelegt wird, und sobald man dem Darm durch die oben angegebene Nachbehandlung Zeit und Ruhe lässt; und so haben denn die Worte Dieffenbachs; »Wollten wir aber, ohne die Naht zu versuchen, zur Anlegung des Pseudo-Afters schreiten, so würden wir stille stehen, statt mit der Zeit und Wissenschaft fortzuschreiten,« erst in unseren Tagen volle Gültigkeit erlangt, Heutzutage ist es Pflicht, Pflicht nicht nur gegen die Zeit und Wissenschaft, Pflicht auch gegen die leidende Menschheit, ihr nicht länger ein Verfahren vorzuenthalten, das schnell, leicht und sicher zum Ziele führt, das Althergebrachte aufzugeben zu Gunsten einer in der That besseren Neuheit.

Was nun die speciellere Anwendung der Darmnaht mit, resp. ohne Resection des Darmes anbetrifft, so gelten folgende Regeln:

Man wendet an:

  1. Einfache seitliche Darmnaht ohne Resection bei allen incomplicirten Riss- und Schnittwunden ohne Defect, wie dies schon Giraldès, Holmes, Dieffenbach etc. thaten.
  2. Cooper'sche seitliche Ligatur bei kleinen, durch Gräten, Nadeln etc., verursachten Continuitätstrennungen.
  3. Resection mit oder ohne Rambdor'sche Invagination:
    1. bei allen Defecten, wo die seitliche Darmnaht Strictur erzeugen würde.
    2. bei wirklichen Darmstricturen.
    3. bei circumscripter Gangrän.

Diese letzte Operation ist die blutigste, da man dabei immer Mesenterium zu reseciren hat, doch hat dies bei der Vollkommenheit unserer blutstillenden Methoden nur wenig zu sagen.

Und so bleibt uns denn für die Anlegung der Kothfistel nur der Fall übrig, wo die Graugrün noch nicht demarkirt ist, und wo also Gefahr droht, dass bei Fortschreiten der Gangrän die Darmnäthe nicht halten.

Wir lassen noch einen Fall folgen, der im vorigen Sommer-Semester in der hiesigen chirurgischen Klinik mittelst Darmnaht geheilt wurde, und gerade desshalb einiges Interesse gewährt, weil es sich dabei um einen gangränösen Defect des Darmes handelte;

Frau A., 56 Jahr etc., hatte ihren seit einer langen Reihe von Jahren bestehenden Schenkelbruch seit dem 25, September a. p. nicht mehr zurückbringen können; es bestand seit diesem Tage angehaltener Stuhl. Im Laufe der nächsten Tage schwand der Appetit, der Leib wurde hoch und schmerzhaft, es stellte sich Erbrechen des Genossenen ein, und am 6. Tage, dem 30. September, liess sich die Patientin auf dringendes ärztliches Anrathen in die chirurgische Klinik aufnehmen. Taxisversuche, die bis zu diesem Tage ohne Chloroform unternommen wurden, waren erfolglos geblieben. Patientin, eine hagere Frau von sehr geringen Panniculus adiposus, anämischen Schleimhäuten, bietet bei ihrer Aufnahme das Bild eines tiefen Collapses. Das Gesicht ist eingefallen, die Nase spitz hervortretend, die Lippen blass, trocken, rissig, die Zunge rauh und borkig, Stirn und Brust von kaltem, klebrigen Schweiss bedeckt, Temperatur in der Achselhöhle 36,0, Puls 130, klein, fadenförmig. Der Leib ist aufgetrieben, auf Druck massig schmerzhaft, es besteht häufig mundvolles Erbrechen von grüngelben, dünnbreiigen, starken Kothgeruch zeigenden Massen. In der rechten Inguinalgegend besteht eine hühnereigrosse, harte, sehr empfindliche Geschwulst, die nicht reponibel ist, und deren Basis sich strangartig nach dem Schenkelkanal verfolgen lässt. Die Hautdecken darüber sind verschieblich, von normalem Aussehen.

Unter den oben geschilderten Umständen erschienen dem Operateur, Herrn Dr. Viertel, Taxisversuche contraindicirt, ein rasches operatives Eingreifen dringend indicirt. Abends 6 Uhr schritt er unter Assistenz des Herrn Dr. Berndt von der Poliklinik zur Herniotomie. Die Instrumente waren in zweiprocentige Carbolsäure getaucht, das Näh- und Unterbindungsmaterial, in zehnprocentigem Carbolwachs gesottene in Glaskrausen aufbewahrte Seide, zurecht gestellt. Das Operationsterrain wurde mit Carbolwasser gereinigt, die Hände mit Seife und Nagelbürste gesäubert und in fünfprocentigem Carbolwasser genetzt. Zum Abtupfen wurden in zweiprocentiges Carbolwasser getauchte Wattetampons zurecht gelegt, die Patientin in Decken gehüllt auf den Operationsteil gelagert, an Brust und Oberbauchgegend warme Tücher, an die Füsse eine Wärmflasche applicirt und hierauf die Narcose eingeleitet. Nachdem dieselbe vollkommen, wurden Unterbauch und Oberschenkel so weit als nöthig entblösst; nach einem ausgiebigen Hautschnitt über die grösste Ausdehnung der Geschwulst hin, drang der Operateur schichtenweise präparierend vor. Bald war der Bruchsack freigelegt und die feste Verwachsung seines Halses mit der Bruchpforte constatirt.

Da aller Grund vorhanden war, eine tief pathologische Veränderung des Darmes vorauszusehen, wurde der Bruchsack eröffnet, worauf sich zwei Theelöffel stinkenden, serös blutigen Bruchwassers entleerten. Es zeigte sich eine dunkelbraunrothe, vier querfingerlange Dünndarmschlinge als Inhalt des Bruchsackes. Der Darm war in einem 20 mm langen, 20 mm breiten, unregelmässig nackig umrandeten Gebiete, dessen Längsdurchmesser dem des Darmes entsprach, gelbgrauschwarz verfärbt, schimmerte hier nicht glänzend; die Grenzen der Umgebung demarkirten sich als 2 mm breiter, stark dunkelroth gefärbter Grenzring. Dieses brandige Stück hatte die Gestalt eines verschobenen Vierecks, dessen Längsdurchmesser mit dem freien Rande des Darmes zusammenfiel, so dass nach dem Mesenterialrande zu ein Dreieck mit seiner Spitze hinsah, ohne ihn zu erreichen.

Da die Fixirung des Mesenteriums eine fortwährende Zerrung desselben und Reizung des Peritoneums in Aussicht stellte, so dilatirte der Operateur zunächst die Bruchpforte, zog die Darmschlinge etwas vor und fixirte, um das fortwährende Verletzen durch Pincetten etc. zu umgehen, den ab- und zuführenden Schenkel mit je einer Silbernaht an die Hautränder der Wunde. Hierdurch vor dem Zurückschlüpfen des Darmes gesichert, resecirte er mit zwei Scheerenschlägen ein 3 cm hohes Ringstück des Darmes, sowie einen kleinen Sector des Mesenteriums mit einem Radius von circa 2 cm. Zwei spritzende Mesenterialgefässe wurden mit feiner Seide unterbunden. Der geringe, bei der Eröffnung herausfliessende, aus dünnem, stinkendem Koth bestehende Darminhalt wurde durch Wattetampons an dem Einfliessen in die Bauchhöhle verhindert. Hierauf wurden die beiden Darmstücke durch 15 Knopfnähte, Seide Nr. 0, doppelt eingefädelt, nach Lembert Serosa an Serosa möglichst sorgfältig vereinigt, so dass sowohl Gase wie Darminhalt, ohne hinauszutreten oder angehalten zu werden, von der beginnenden Peristaltik getrieben, die Nahtstelle passirten. Das Mesenterium wurde mit zwei Knopfnähten, Seide Nr. l, vereinigt, Nach sorgfältiger Toilette des Darmes mit Carbolwasser und Lösung der Silberfäden wurde reponirt.

Durch ein in 5 procentiges Carbolöl getauchten Drainrohr entleerten sich, nachdem die Pat. auf die kranke Seite gelegt war, 250—300 gr gelbröthlicher, dünnflüssiger, geruchloser Flüssigkeit aus der Peritonealhöhle.

Der obere Wundwinkel wurde nun mit einer Silbernaht geschlossen, sonst blieb die Wunde offen und ohne jede Bedeckung. Hiermit war die über eine Stunde dauernde Operation zu Ende.

Pat. wurde in ein wohldurchwärmtes Bett gebracht, die Decke mit einer Reifenbarre über der Wunde emporgehalten, Pat. warm eingehüllt und mit Wärmflaschen versehen.

Die Nachbehandlung bestand local in strenger Abstinenz jeder Encheirese; innerlich wurden der Pat. in den ersten 'zwei Tagen Tet. Opii und Eispillen verordnet. Die Diät bestand in Ungarwein, Milch, Brühe, Eiern, gekochtem Schinken, fein gehacktem rohem Rindfleisch, wobei sie sich schnell erholte.

Bis Mitternacht erbrach Pat. noch zweimal, was wohl Folge der einstündigen Narcose war. Hierauf blieb das Erbrechen für immer fort.

Zwei Stunden nach der Operation trat der erste Stuhl ein, wenig und dünn, eine halbe Stunde hierauf etwas mehr, breiig und normal. Von da ab hatte Pat. jeden Tag ein Mal, am 6., 7., 10., 13., 17. Krankheitstage 3maligen, am 14. 2maligen Stuhl.

Die Wunde bedeckte sich in den ersten zwei Tagen mit der bekannten bernsteingelben Ausschwitzung, die eintrocknend am 5. Tage durch die nachfolgenden Granulationen abgehoben wurde. Vom 10, Tage an wurde jeden Tag ein Vollbad gereicht.

Temperatur und Puls waren wie folgt:

30. September früh -- Abends36,0.130.
1. October früh 38,0.120. Abends37,5.100.
2. October früh 37,0.120. Abends38,0.100.
3. October früh 37,3.100. Abends38,0.110.
4. October früh 37,2.95. Abends37,5.100.

Von da ab war die Temperatur nicht höher als 37,5, nur am Abend des 6. October betrug sie 38,2 die höchste Temperatur während des ganzen Verlaufes.

Am 27. October verliess Patientin die Klinik mit völlig geheilter Wunde.


Lebenslauf.

Verfasser, geboren zu Strehlen in Schlesien am 10. Februar 1856, besuchte von Ostern 1868 das Maria-Magdalenen-Gymnasium zu Breslau, welches er Ostern 1875 mit dem Zeugniss der Reife verliess. Am 19. April desselben Jahres wurde er bei der medicinischen Facultät der Universität Breslau immatriculirt, absolvirte am 23. Mai 1877 das Tentamen physicum, und am 4. Februar 1879 das Examen rigorosum.

Während seiner Studienzeit besuchte er die Vorlesungen und Kliniken folgender Herren Professoren und Docenten:

Berger, Biermer, Born, Cohn, Cohnheim, Dorn, Fischer, Förster, Grützner, Haeser, Hasse, Heidenhain, Lichtheim, Löwig, Meier, Neumann, Ponfick, Richter, v. Richter, Simon, Sommerbrodt, Spiegelberg.

Allen diesen Herren sagt Verfasser seinen besten Dank.


Thesen.

  1. die acute croupöse Pneumonie beruht durchaus nicht immer auf Infection.
  2. Bei vollständig ausgesprochener und demarkirter Necrose des eingeklemmten Darmstückes ist die Reaction des kranken Darmstückes mit folgender Darmnaht und Versenkung in die Bauchhöhle der Anlegung einer Kothfistel vorzuziehen.
  3. Bei chlorotischer Dyspepsie (Verdauungsschwäche) sind sofort Eisenpräparate zu verordnen.

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